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R.A.F. SE5a - von Robert Walter  

 

Shuttleworth Collection

Anlässlich eines England Aufenthaltes im Herbst 2009 hatte ich die Gelegenheit, die Shuttleworth Collection in Old Warden zu besuchen (http://www.shuttleworth.org/). Diese einmalige Sammlung flugfähiger Originale aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ist ein kleines Paradies für Doppeldeckerfans wie mich.

Unter vielen anderen Vertretern der frühen Warbirds aus dem 1. Weltkrieg stehen dort die Sopwith Pup „9917“ und die R.A.F. SE5a „F904“. Ein Quarter Scale Modell genau dieser Pup hatte ich bereits Anfang 2009 gebaut.
Jetzt sollte es also die „F904“ werden. Zufälligerweise wurden die Maschinen an dem Tag meines Besuches alle aus dem Hangar in die strahlende Sonne geschoben. Somit hatte ich die einmalige Chance für optimale Detailaufnahmen.

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Etwas Geschichte

Die SE5a ist ein wesentlich modernerer Vertreter dieser Epoche als die mit Gnome Rhone Umlaufmotor befeuerte Pup. Der Erstflug der SE5 fand am 30. Mai 1917 statt. Unter der langen Motorhaube tobte zunächst ein 150PS V8 von Hispano Suiza. Dieser erwies sich schon in der Erprobungsphase der Vorserienmaschinen als mechanisch äußerst störanfällig und Kurbelwellenbrüche waren an der Tagesordnung.

Man beauftrage die Firma Wolsley mit dem Nachbau der französischen Motoren und der gleichzeitigen Entwicklung einer leistungsstärkeren Version (Wolsley „Viper“ mit 200PS). Auch hier stellten sich Schwierigkeiten ein. Aber damit nicht genug. Nach häufigen Dichtigkeitsproblemen mit dem flüssigkeitsgekühlten Motor wurden verschiedene Kühlersysteme getestet. Dies erklärt die zum Teil sehr unterschiedlichen Formen der Radiatoren an der Front der Motorhaube.

Als die ersten Maschinen schließlich zum Einsatz kamen, stellte man fest, dass das Fahrwerk für die nur schlecht präparierten Feldflugplätze und das relativ hohe Gewicht der Maschine zu fragil war. Dies führte zu zahlreichen Unfällen. Nachdem gegen Anfang 1918 endlich die Kinderkrankheiten beseitigt waren, verdiente sich der Typ, jetzt SE5a genannt, schnell einen guten Ruf als zuverlässiges Kampfflugzeug. Fighter Asse, wie Procter, McCudden, Mannock, Jones und Billy Bishop machten sie genau so berühmt wie ihren Zeitgenossen, die Sopwith Camel.

Die Bewaffnung bestand aus einem vor dem Cockpit im Rumpf eingebauten Vickers MG, das durch den Propellerkreis schoss und die Munition per Gurtzuführung bezog. Auf einer Lafette auf der oberen Tragfläche war zusätzlich ein Lewis MG montiert, ausgerüstet mit einer Munitionstrommel mit nur 96 Schuss. Wenn diese leergeschossen war, musste der Pilot das MG auf der Lafette zu sich herunter ziehen und die Trommel auswechseln. Dazu musste er sich aus dem Sitz erheben und mit beiden Händen die Trommeln ab- und anmontieren. Während dieser Zeit flog das Flugzeug mehr oder weniger führerlos. Den mit dieser Aktion einhergehenden Adrenalinstoß kann man sich gut vorstellen, besonders wenn die gegnerischen Fokker in Sichtweite waren.

Die SE5 war bis 1921 in Diensten der RAF und die übrig gebliebenen Flugzeuge wurden für zivile Zwecke benutzt. Zahlreiche Maschinen wurden zu sogenannten „Skywriters“ umgebaut, die in den Goldenen Zwanzigern die ersten Werbebotschaften in den Himmel malten. Das wäre doch auch mal ein schönes Modellbauprojekt. (Edit ... Flügelmann Matthias "Strega" Dorst hat sich exakt dieses Themas angenommen).

Obwohl die „F904“ eine SE5a ist, war diese bis in die 1970er Jahre hinein mit einem Hispano Motor bestückt. Erst später erhielt sie einen Wolsley „Viper“ und die passende Motorhaube samt Kühlerradiator. Mein Modell stellt den Zustand vor dem Umbau dar.

Für den interessierten Modellbauer gibt es zur SE5/SE5a reichlich Informationen im Web. Wer es lieber in gedruckter Form mag, dem sei das Windsock Data File Special RAF SE5a von J.M.Bruce (1993) empfohlen (ISBN No. 0 948414 47 2).

 


 

Modell und Anspruch

Passend im Maßstab 1:4 zu meiner Pup bietet DB Sport & Scale (http://www.dbsportandscale.com/) einen Laser Cut Kit der SE5a an. Da ich bereits bei der Pup am vorbildähnlichen Nachbau Gefallen gefunden hatte, sollte es diesmal mehr in Richtung Scale Ausbau gehen. Allerdings wollte ich nicht gleich die 100%-Lösung für die „Nietenzähler“, sondern mit finanziell vertretbaren und im Bastelkeller verfügbaren Mitteln ein Flugzeug bauen, dass den Vergleich mit Fotos vom Original nicht zu scheuen braucht. Außerdem sollte es auch noch ein Modell sein, bei dem ich beim Fliegen nicht permanent an meinen Kontostand denken muss, falls die Landung mal daneben geht.

Der Antrieb sollte elektrisch erfolgen. Die Erfahrungen mit der Pup ermutigten mich, auch dieses Modell mit einem Dymond AL6374 und 10s 5000er Lipos auszurüsten. Dieses Antriebskonzept bringt einen 8kg Doppeldecker mit ausreichend Reserven in die Luft und ermöglicht vorbildgetreues Fliegen mit dem WWI Jäger.

Da baut man also ein möglichst detailliertes Scale Modell und das hat dann dank des E-Antriebs die Geräuschkulisse eines Küchenmixers?
Nein, danke. Deshalb hab ich mir ein weiteres „Schmankerl“ in Form eines Sound Moduls von Thomas Benedini (http://www.benedini.de) gegönnt. Das Motorengeräusch ist aus einer Originalaufnahme entstanden. Ein 50W Verstärker, direkt gespeist aus dem 10s Flugakku, sorgt für den nötigen Schalldruck. Ein Soundmodul macht nämlich nur dann Sinn, wenn man den „V8“ auch während der gesamten Platzrunde am Boden deutlich hören kann.

Die Modell Konstruktion geht auf Dave Boddington zurück und ist schon mehr als zwanzig Jahre alt. Im Zuge der Umstellung auf Laser Cut Bausätze bei DB Sport & Scale, wurde die Konstruktion komplett überarbeitet. Die Flächen sind jetzt jeweils zweiteilig mit Mittelstück. Die Verspannung ist funktionsfähig, das heißt, sie spielt eine tragende Rolle. Beim Original sind die Landing- und Flying Wires doppelt ausgeführt. Das ist im Modell nicht umgesetzt. Auch die Beschläge haben hier mehr pragmatischen als Scale Charakter. Nicht zuletzt wegen dieser Einschränkungen ist das Flugzeug auf dem Platz leicht und schnell aufzurüsten.

 

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Der Baukasteninhalt

Der für ein Quarter Scale Modell gar nicht so große Karton enthält alle zum Bau erforderlichen Teile, außer RC Ausrüstung, Antrieb, Räder, Bespannmaterial, Bewaffnung und den Scale Details. Die mitgelieferten Beschläge, Seile, Anlenkungen und sonstigen Metallteile sind von überzeugender Qualität. Die Teile sind nach Baugruppen gegliedert in Plastiktüten verpackt und beschriftet. Einzig die Ruderscharniere aus Kunststofffolie habe ich nicht verwendet. Die Formteile für die Rippenflächen, Leitwerke und Rumpf sind lasergeschnitten und die Passgenauigkeit ist sehr gut. Trotzdem, so ein Bausatz verdient seinen Namen zurecht. Im Vergleich zu den weitestgehend vorgefertigten ARF Modellen verlangt er nach einigen Grundkenntnissen und Fertigkeiten im traditionellen Modellbau.

Leistenmaterial aus ausgesuchtem Balsa, Kiefern- und Buchenholz ist allerdings in zölligen Abmessungen enthalten. Alle Teile und Leisten sind jedoch nummeriert, so dass die Zuordnung nicht schwierig ist. Im Zweifelsfall hilft eine Umrechnungstabelle. Fertig gebogene Fahrwerks- und Baldachinstreben sind ebenso vorhanden, wie passgenau geschnittene Beplankungsteile aus hochwertigem Sperrholzfurnier.

Drei großformatige Baupläne in 1:1 sind dann die Grundlage für den Bau. Auf den Plänen finden sich zahlreiche perspektivische Skizzen, die komplexere Details verständlich machen. Die ausführliche, aber unbebilderte Bauanleitung ist leider nur in Englisch erhältlich und erfordert etwas Sprachkenntnis.

Die Bespannung erfolgte mit Oratex, die anschließende Lackierung mit unterschiedlichen Sprühlacken aus dem Baumarkt. Große, einfarbige Flächen wirken oft unnatürlich. Darum habe ich die Flächen mit seidenmattem Lack gespritzt und anschließend die Zwischenräume zwischen den Rippen mit Glanzlack hervorgehoben. Das macht einen sehr plastischen Eindruck. Den genauen Farbton habe ich leider nicht reproduzieren können, aber hier galt auch die Devise, die Kirche im Dorf zu lassen.

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Fliegen mit der SE5a

Alle Modellpiloten kennen das mulmige Gefühl vor dem ersten Start mit einem neuen Modell. In diesem Fall hätte es eigentlich besonders mulmig sein sollen, da ich viel Aufwand und Zeit in den Scale Ausbau gesteckt hatte, bevor das Modell zum Erstflug startete. Komischerweise war es aber nicht so. Die guten Erfahrungen mit der Sopwith bei vergleichbarem Gewicht, Flächeninhalt, Antrieb etc. gaben mir Zuversicht auf einen entspannten Maiden Flight.

Zunächst machte ich die üblichen Bodenchecks für Reichweite und Ruderkontrolle, dann einige Rollversuche, da der Hecksporn angelenkt ist und ich das Steuerverhalten am Boden testen wollte.

Dann die Maschine gegen den Wind ausrichten, tief durchatmen, langsam das Gas rein und Fahrt aufbauen. Das Heck kommt nach wenigen Metern hoch und schon hebt sie ab. Aber was ist das? Sie will nach links. Ich muss heftig gegensteuern. Auf Sicherheitshöhe versuche ich zu trimmen. OK, sie fliegt einigermaßen geradeaus, aber irgendwie eigenartig. Also wieder runter. Die Landung ist unspektakulär. Mit etwas Schleppgas setzt sie sanft auf und ich roll sie zurück.

Die vier Querruder stehen nach der Trimmorgie nun deutlich aus der Neutrallage. Warum nur? Die Erklärung ist einfach, aber peinlich für den Erbauer. Das rechte Flächenpaar hat einen sichtbar größeren Anstellwinkel als das Linke. Das hätte nicht passieren dürfen. Zum Glück ist nichts passiert.

Also ab in den Bastelkeller und die Spannseile neu eingestellt. Zur Kontrolle werden vier ausgesucht gerade 5x5mm Kiefernleisten von mindestens 1m Länge mit Gummibändern ungefähr mittig unter die Flächen gespannt. Als Referenz dienen weitere Stäbe an der Flächenwurzel. Hier ist der Einstellwinkel konstruktiv vorgegeben und der sollte sich zur Flächenspitze nicht verändern. Jetzt kann man aus 90° zur Flugrichtung über die Stäbe peilen und die Seile so vorspannen, dass alle Stäbe den gleichen Anstellwinkel zeigen.

Ohne die Stäbe ist (zumindest in meinem) Keller der für die optische Kontrolle nötige Abstand zum Modell nicht zu erreichen.

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Der nun folgende Testflug verlief dann erwartungsgemäß gut. Allerdings will dieses Flugzeug geflogen werden. Es hat nicht die Agilität der etwas kürzeren Sopwith und braucht im Kurvenflug energische Seitenruderunterstützung. Diese Erkenntnis deckt sich übrigens mit Berichten aus der Literatur zum Original und ist ein weiterer Hinweis auf die vorbildgetreue Umsetzung der Konstruktion. Die Fluggeschwindigkeit ist gefühlsmäßig recht langsam und auch die Landegeschwindigkeit ist praktisch trainerartig. Das Flugbild ist phantastisch. Dazu der tolle Motorensound und die Illusion ist perfekt.

Für die kommende Saison ist geplant, den Verbandsflug mit der Pup zu üben.

Fazit

Das Modell ist für den fortgeschrittenen Modellbauer eine erreichbare Herausforderung. Man muss natürlich schon etwas Erfahrung mitbringen, aber die präzise gelaserten Bauteile erleichtern den Bau erheblich. Als Basis für ein schönes Semi Scale Modell ist die SE5a ideal. Der Zeitaufwand ist ebenfalls nicht unerheblich. Ich habe bis jetzt ca. 300 Stunden einschließlich der Recherche zum Original investiert. Die Kosten für Bausatz und die sonstigen „Kleinigkeiten“ sind natürlich nicht mit dem Preisniveau der allgegenwärtigen ARF Modelle aus Fernost zu vergleichen. Dafür erhält man aber ein einzigartiges Modell, das in dieser Ausprägung wirklich nicht oft auf Modellflugplätzen anzutreffen ist.

Mir hat die Recherche zum Original sehr viel Spaß gemacht. Die Umsetzung der Scale Details im Modell fand immer unter der Maßgabe der Verhältnismäßigkeit statt und war praktisch ein eigenständiges Unterfangen. Am Ende ist hier ein alltagstaugliches Modell entstanden, das den Betrachter mit seinen zahlreichen Details fasziniert.

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Nachtrag 2021

Inzwischen sind mehr als 10 Jahre vergangen und das Flugzeug hat viele Einsätze auf vielen Treffen hinter sich. Es ist eines meiner Lieblingsmodelle und es fliegt immer noch wunderbar. Ich habe 2019 den Kühergrill auf des spätere Modell mit dem Wolsley Motor geändert aber dann habe ich mich entschlossen eine große Revision durchzuführen. Nach zehn Jahren wollte ich nicht das Risiko eingehen, dass eventuell unentdeckte Schäden an der Struktur irgendwann zum Fiasko führen. Nachdem ich die Bespannung an den Flächen entfernt hatte, bot sich allerdings ein sehr erfreuliches Bild. Also bleibt es bei neuer Bespannung, neuem Lack und diversen Verschönerungen und Scale Details dank der neuen Möglichkeiten mit dem 3D Drucker. Der zweite Jungfernflug steht noch aus...

 

 

 

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